Chartmuster: Charts fachgerecht analysieren

Als Chartanalystin oder Chartanalyst hast du verschiedene Möglichkeiten, den möglichst günstigsten Kauf- bzw. Verkaufszeitpunkt für dein Wertpapier zu finden. Eine Möglichkeit: Chartmuster in historischen Kursverläufen analysieren und damit auf die künftige Kursentwicklung schließen. Chartanalyse ist in Börsenkreisen allerdings ein umstrittenes Thema: Kann man anhand der Analyse von Aktien-Charts tatsächlich vorhersagen, ob der Kurs einer Aktie oder eines Aktienindexes steigen oder fallen wird?

Enzyklopädie der Chartmuster

1. Trendumkehrformationen

Doppel-Top: Das Doppel-Top wird auch M-Formation genannt und zeichnet sich durch zwei annähernd gleich hohe Kursspitzen aus. Bei zwei annähernd gleich tiefen Kursspitzen wird vom Doppel-Boden oder der W-Formation gesprochen. Die Formation kann auch drei Spitzen nach oben oder unten ausbilden.
Schulter-Kopf-Schulter-Top: Die Schulter-Kopf-Schulter-Top-Formation gilt als sehr zuverlässiges Chartmuster. Bei ihr folgt auf ein relativ schwaches Hoch (linke Schulter) ein deutliches Hoch (Kopf). An den Kopf schließt sich ein erneutes schwaches Hoch an (rechte Schulter), dessen Spitze etwa auf Höhe des ersten schwachen Hochs liegt. Die gespiegelte Formation heißt Schulter-Kopf-Schulter-Boden.
Untertasse: Die Untertasse hat die Form eines runden Bodens. Sie entsteht durch ein allmähliches Fallen des Kurses, auf das ein allmähliches Ansteigen folgt. Die gespiegelte Formation heißt umgekehrte Untertasse.

2. Trendfolgeformationen

Flagge: Die Flagge entsteht durch zwei Trendlinien, die ein Parallelogramm bilden und dem bestehenden Trend entgegenlaufen. Sie stellt also eine kurze Pause in einem Auf- bzw. Abwärtstrend dar und ist beendet, wenn der Kurs über die obere bzw. untere Trendlinie der Flagge klettert.
Wimpel: Der Wimpel bildet sich nach einem starken Auf- oder Abwärtstrend aus, ist also wie die Flagge gegen den übergeordneten Trend gerichtet. Durch beständig zurückgehende Kursschwankungen entsteht ein Dreieck in Form eines Wimpels, wenn man an die unteren und oberen Wendepunkte des Kurses Trendlinien einzeichnet. Bei einem Aufwärtstrend weist der Wimpel nach oben, bei einem Abwärtstrend nach unten.
Keil: Wie der Wimpel zeichnet sich der Keil durch schnell abnehmende Kursschwankungen aus. Allerdings ist der Keil stärker als der Wimpel gegen den Trend gerichtet. Dabei gilt: Je stärker die vorangegangene Auf- oder Abwärtsbewegung war, desto stärker neigt sich der Keil.

Was sind Chartmuster?

Die wichtigste Annahme der Chartanalyse ist, dass sich Finanzmärkte zyklisch verhalten. Diese Aussage geht auf Charles Dow zurück, der mit seiner Dow-Theorie als Begründer der Chartanalyse gilt.

Es gibt also Ereignisse an den Märkten, die sich in bestimmten Abständen wiederholen. Entsprechend verlaufen Aktienkurse in wiederkehrenden Mustern, die anhand verschiedener Formationen, den Chartmustern, zu erkennen sind. Chartmuster entstehen, indem man markante Punkte im Kursverlauf – üblicherweise sind das extreme Kursausschläge nach oben oder unten – mit Linien zu einer Figur verbindet.

Chartmuster: Übersicht über die wichtigsten Formationen

Bei der Analyse von Chartmustern wird zwischen Trendumkehr- und Trendfolgeformationen unterschieden. Während du bei einer Trendumkehrformation davon ausgehen kannst, dass sich ein Auf- oder Abwärtstrend nicht fortsetzt, kannst du bei einer Trendfolgeformation damit rechnen, dass sich an einem Auf- oder Abwärtstrend zunächst nichts ändert. Trendfolgeformationen dienen vor allem dazu, den passenden Einstieg in die bestehende Trendbewegung zu finden. In der obenstehenden Tabelle haben wir für dich die wichtigsten Formationen zusammengestellt.

Woher kommen die Namen für die Chartmuster?

Die meisten Namen der heute bekannten Chartmuster stammen von Richard Schabacker. Der damalige Herausgeber des Wirtschaftsmagazins Forbes veröffentlichte 1930 sein Buch Stock Market Theory and Practice, in dem er erstmals alle Chartmuster auflistete.

Wie kannst du Chartmuster richtig analysieren und bewerten? Einige Tipps

Damit du mit der richtigen Charttechnik deine eigene Anlagestrategie entwickeln kannst, solltest du dir vorher erstens einen Überblick über die wichtigsten Chartmuster verschaffen. Zweitens ist es wichtig, dass du einige grundlegende Dinge weißt und Fachbegriffe kennst.

  • Chartformen: Basis für die Analyse von Aktienkursen ist üblicherweise der Candlestick- bzw. Kerzenchart, weil er – anders als die einfacheren Kursdarstellungen in Linien- oder Balkencharts – die meisten Details eines Kursverlaufs enthält.
  • Der Faktor Zeit: Alle Kursverläufe können über verschiedene Zeiträume hinweg betrachtet werden. Viele Chartanalyst:innen betreiben Daytrading, arbeiten also mit Tagescharts. Grundsätzlich kannst du dir aber jedes beliebige Zeitintervall für einen Kursverlauf anzeigen lassen. Es gibt also auch Minuten- und sogar Sekundencharts. Wenn du eher langfristig investieren möchtest, solltest du dir den Kursverlauf des letzten Monats oder Jahres anschauen.
  • Widerstand und Unterstützung: Durch das Einzeichnen von Widerstands- und Unterstützungslinien in den Kursverlauf erhalten Chartanalyst:innen die entscheidenden Chartsignale zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers. Von einer Widerstandslinie wird gesprochen, wenn der Kurs einer Aktie wiederholt nicht über einen bestimmten Wert steigt. Entsprechend erhältst du eine Unterstützungslinie, wenn der Kurs mehrfach nicht unter einen bestimmten Wert sinkt.

Chartmuster-Erkennung

Vor allem für Aktien-Anfänger und Neulinge auf dem Gebiet der Chartanalyse ist es oft nicht ganz einfach, anhand eines Kursverlaufs die entsprechende Formation zu erkennen. Deshalb gibt es mittlerweile einige technische Hilfsmittel zur automatischen Chartmuster-Erkennung. Software und Tools dafür werden von vielen Online-Brokern oft kostenlos zum Download zur Verfügung gestellt. Auch von professionellen Chartanalyst:innen werden diese Hilfsmittel gerne angenommen, denn sie bedeuten eine enorme Zeitersparnis.

Autochartist

Eine bekannte Chartanalyse-Software zur automatischen Erkennung von Chartformationen ist „Autochartist“. Das Chartanalyse-Tool wurde im Jahr 2004 von der gleichnamigen US-amerikanischen Firma entwickelt und kann bei vielen großen Online-Brokern kostenlos genutzt werden.

Wie aussagekräftig sind Chartmuster?

Für Chartanalyst:innen sind Chartmuster eine durchaus verlässliche Möglichkeit, um Aussagen über künftige Kursentwicklungen treffen zu können. Voraussetzung: Sie werden objektiv angewendet und vielleicht zusätzlich gestützt durch Daten der Fundamentalanalyse.

Gerade die Objektivität bei der Anwendung der Muster ist allerdings oft ein Problem. Der Grund: Die wenigsten Charts sind so eindeutig, dass der Kursverlauf nur auf eine einzige Formation hindeutet. Analysieren zwei Chartanalyst:innen unabhängig voneinander den selben Chart, ist es deshalb möglich, dass beide zu einem unterschiedlichen Ergebnis gelangen. In den meisten Fällen gibt es also einen mehr oder weniger großen Interpretationsspielraum.

Egal, ob seriöse Analysetechnik oder bloße Kaffeesatzleserei: Tatsache ist, dass immer mehr Trader:innen die Chartanalyse als Möglichkeit nutzen, um ihre Renditechancen zu optimieren – trotz aller Kritik und gebotenen Vorsicht.

Prognosefähigkeit ist begrenzt

Willst du Chartanalyse betreiben, solltest du bedenken, dass die Prognosefähigkeit von Chartmustern begrenzt ist. Selbst wenn ein Kursverlauf eindeutig auf eine bestimmte Formation hinweist, sagt das – wenn überhaupt – nur etwas über die wahrscheinliche Kursentwicklung aus. Eine 100-prozentige Sicherheit darüber, ob ein Kurs aufgrund eines bestimmten Chartmusters steigen oder fallen wird, gibt es nicht.

Saskia ist promovierte Germanistin und arbeitet seit 2017 im Finanzbereich. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich Wertpapierdepot, Bausparen, sowie bei Unfall- und Sterbegeldversicherung.
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