Volksaktie: Bürger an Unternehmenseigentum beteiligen

Als Volksaktien werden Aktien bezeichnet, die im Zuge einer (Teil-) bzw. (Re-)Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen ausgegeben werden. Aufgrund ihres günstigen Einkaufspreises sollen sie einem großen Personenkreis zur Verfügung stehen. Die Volksaktien sind also als eine Art Aktien für Anfänger gedacht. Sie richten sich in erster Linie an Kleinanleger, das heißt an Privatpersonen, die auf diese Weise an den Börsenmarkt herangeführt werden sollen. Neben dem günstigen Einkaufspreis werden mit der Volksaktie üblicherweise zwei weitere Merkmale in Verbindung gebracht. Erstens kann pro Kopf nur eine bestimmte Anzahl von Aktien gekauft werden und zweitens sind die Papiere mit Halte- bzw. Sperrfristen verbunden. Sie dürfen also nicht sofort wieder verkauft, sondern müssen eine bestimmte Zeit gehalten werden.

Die Volksaktie in der Zeit des Wirtschaftswunders

Die Idee der Volksaktie geht auf die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, also auf die 50er und 60er Jahre zurück. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard betrieb eine so genannte Privatisierungspolitik, in deren Rahmen sich die Bundesrepublik von einem Teil ihres Industriebesitzes trennte. Ziel dieser Politik war es, einen Teil des öffentlichen, staatlichen Vermögens in privates Eigentum umzuwandeln. Gleichzeitig sollten Bürger und Arbeitnehmer stärker am Produktivbesitz beteiligt werden. Das bedeutet, dass das Unternehmenseigentum breiter gestreut werden sollte, also mehr Bürger am Unternehmenskapital teilhaben sollten. Aktienkäufe wurden deshalb von der Bundesrepublik stark subventioniert. Ziel dieser Suventionierungen war es, den Anreiz für Privatanleger zu erhöhen, in Wertpapiere zu investieren.

Die ersten Volksaktien in Deutschland:

UnternehmenGründungAuflösung zuSitzAktien- erstausgabeGesamtnennwert
PREUSSAG
Preußische Berwerks- und Hütten- aktiengesellschaft
09.10.1923TUI AG
am 01.07.2002
Hannover1959120 Mio DM
VW
Volkswagen AG
28.05.1937Wolfsburg1960360 Mio DM
VEBA
Vereinigte Elektrizitäts- und Berwerks AG
08.03.1029E.ON SE
am 27.09.2000
Düsseldorf1965528 Mio DM

Ziele der Volksaktie: Kleinanleger an die Börse!

Mittels der Volksaktie sollte vor allem die Aktionärsquote in den Unternehmen angehoben werden. Deswegen wurden die Aktien bewusst keinen institutionellen Anlegern angeboten, sondern an Privatpersonen verkauft. Von dem Kapital, das die Kleinanleger in das jeweilige Unternehmen investierten, sollte das Unternehmen profitieren – und das gleich doppelt, denn die Aktien waren als Vorzugsaktien konzipiert. Beim Kauf einer Vorzugsaktie erhält der Inhaber kein Stimmrecht als Aktionär im Unternehmen. Die Unternehmen konnten also durch die vielen Kleininvestoren ihr Eigenkapital erhöhen. Gleichzeitig behielt die Unternehmensführung die Kontrolle über das Unternehmen.

Für den Kleinanleger war die Volksaktie als sichere und langfristige Kapitalanlage gedacht. Den potentiellen Anlegern wurde suggeriert, beim Kauf einer Volksaktie im Vergleich zu einer herkömmlichen Aktie ein geringeres Risiko zu tragen. Man warb mit staatlichen Subventionierungen, durch die der günstige Kaufpreis ermöglicht wurde, einer bevorzugten Dividende, immer steigenden Aktienkursen des jeweiligen Unternehmens und damit mit einer sicheren Gewinnbeteiligung der Anleger. Dahinter steckte der Gedanke, den Bürger vom klassischen Sparer zum Aktionär zu machen. Er sollte sich also aktiver am Wirtschaftswachstum beteiligen und damit gleichzeitig aktiver am Wirtschaftswachstum teilhaben.

Manfred Krug und die Volksaktie Telekom

Allerdings zeigte schon der Börsengang der VEBA Mitte der 60er Jahre, dass Volksaktien keineswegs eine sichere Geldanlage sind. Weil der Einstiegskurs der Aktie zu hoch gewählt war, kam sie trotz der staatlichen Kursstützung von fast 200 Millionen DM nie richtig auf die Beine. Entsprechend ging die VEBA 2000 in den E.ON Konzern über.

Richtig hart traf es die Kleinanleger, die 1996 in eine Telekom Aktie investierten. Von prominenten Personen wie dem damaligen Tatort-Kommissar Manfred Krug beworben, kletterte der Aktienkurs von 28,50 DM im Jahr 1996 auf den Höchststand von 103,50 € im Jahr 2001. 2002 allerdings brach die T Aktie ein und der Kurs stürzte auf 8,42 € ab. Trotz des grundsoliden Images, das der ehemals staatliche Konzern vermittelte, verlor die Aktie massiv an Wert und die Anleger damit ihr sicher geglaubtes Geld.

Die beiden Beispiele demonstrieren, dass Volksaktien dem Marktrisiko unterworfen sind, genau wie alle anderen Aktien auch. Auch eine Volksaktie kann also unter den Kaufpreis fallen oder im Falle einer Unternehmenspleite sogar ganz an Wert verlieren. Auch als Aktie eines ehemals staatlichen Unternehmens bietet sie keine Garantie für den Erfolg und eine immer aufwärts gerichtete Kursentwicklung.

Volksaktien heute: das Zaudern der Deutschen Bahn

Die Telekom-Aktie galt zusammen mit der Daimler Aktie bis Ende 2001 als stärkster Dividendenbringer. Seit dem Absturz der T Aktie 2002 wurden deutsche Aktien allerdings nicht mehr als Volksaktien ausgegeben. Zwar erwog die Deutsche Bahn im Jahr 2008 einen Börsengang. Wie bei den Volksaktien, die in den 50er und 60er Jahren ausgegeben wurden, sollten auch bei der Deutschen Bahn Vorzugsaktien als Volksaktien verkauft werden. Obwohl man die Idee 2011 noch ein weiteres Mal prüfte, wurde der Börsengang jedoch bis heute nicht vollzogen. Diese Entscheidung könnte mit dem Misstrauen zu tun haben, das Kleinanleger seit dem Telekom-Skandal in Bezug auf Aktienkäufe hegen. Angesichts anhaltender Niedrigzinsphasen denken mittlerweile jedoch viele Anleger um. Immer mehr Menschen schaffen sich ein Depot an und steigen mit Produkten wie Aktienfonds, die ein vergleichsweise geringes Risiko bedeuten, in den Börsenhandel ein.

Bei Depot auf gute Konditionen achten

Für das passive Investieren eignen sich am besten Depots ohne Depotkosten, zum Beispiel von Consorsbank, Onvista und Flatex

Goldrausch und Telekom Austria: die Volksaktie im Ausland

Die erste Aktie, die man als Voksaktie bezeichnen könnte, geht auf das Paris des Jahres 1717 zurück. Der Schotte John Law erfand kurz zuvor das Papiergeld, gründete eine Bank und ebnete so den Weg für die erste Volksaktie. Sein Unternehmen, die Handelsgesellschaft Compagnie de la Louisiane ou d’Occident (auch kurz: Compagnie d’Occident oder Mississippi-Kompanie) versprach hohe Renditen wegen vermuteter Goldvorkommen in den französischen Kolonien der USA, vor allem in Louisiana. Franzosen aus allen Schichten glaubten dem Versprechen und kauften die erfolgversprechenden Papiere. Der Kurs der Aktie stieg daraufhin schnell um das Zehnfache. Als nur etwa zwei Jahre später bekannt wurde, dass es in Louisiana keine nennenswerten Goldvorkommen gab, platzte die Spekulationsblase. Die Hausse endete abrupt, der Wert der Aktie sank so schnell wie er gestiegen war, und John Law musste aus Frankreich fliehen.

Der Gedanke der Volksaktie findet sich auch in Österreich. Dort gaben Anfang 1957, zwei Jahre also, bevor die Idee in Deutschland erstmals verwirklicht wurde, zwei verstaatlichte Großbanken Volksaktien aus. Konkret handelte es sich um den Creditanstalt-Bankverein und die österreichische Länderbank. Der Umfang der Ausgabe betrug 30% des Grundkapitals der beiden Banken. In der Folge wurde in Österreich die Idee einer Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenseigentum unter anderem durch das Steuerreformgesetz von 1993 vorangetrieben. Mit dem starken Kursverlust der Telekom Austria gleich zu Beginn des Börsengangs des Unternehmens im Jahr 2000 wuchs in Österreich allerdings ähnlich wie in Deutschland das Misstrauen der Anleger gegenüber der Idee Volksaktie und damit gegenüber dem Aktienkauf allgemein.

Aktien als Geldanlage: Risiken abwägen

Aktien kaufen. Wie geht das? Diese Frage wurde im Zusammenhang mit der Volksaktie so einfach wie möglich beantwortet, um ein breites Publikum anzusprechen. Gleichzeitig spielte man die Risiken herunter, die mit einem Aktienkauf verbunden sind. Eine Aktien Kaufempfehlung, wie sie seinerseits Manfred Krug für die Volksaktie Telekom gegeben hatte, ist entsprechend immer mit Vorsicht zu genießen. Wenn man Aktien kaufen bzw. mit Aktien handeln will, sollte man sich zuerst mit den Grundregeln der Börse vertraut machen. Nur so kann man die Frage: „Welche Aktien kaufen?“ sinnvoll beantworten, und fällt nicht gutgläubig auf spekulative Aktientipps herein. Gerade in Zeiten von anhaltenden Niedrigzinsphasen kann es sich für den Anleger durchaus lohnen, sich mit der Börse und dem Aktienhandel auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zum klassischen Sparbuch, bei dem man mittlerweile fast gar keine Zinsen mehr bekommt, stehen die Chancen gut, sein Geld an der Börse vermehren zu können.

>